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Der Weihnachtszug von Wierden

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Ab Sommer 1944 beschießen alliierte Jagdflugzeuge immer öfter Züge, um die Logistik der deutschen Streitkräfte lahmzulegen. Am ersten Weihnachtstag dieses Jahres fährt ein Zug mit 1400 Zwangsarbeitern, die zumeist von den zeeländischen und südholländischen Inseln stammen, in Richtung Deutschland. Englische Spitfire-Jäger attackieren die Lokomotive am Bahnhof von Wierden. Vier Zwangsarbeiter sterben, aber etwa 300 können entkommen mit Hilfe der Dorfeinwohner und werden versteckt in Wierden und Umgebung.

Am 25. Dezember 1944 fuhr ein Zug von Kampen über Zwolle in Richtung Deutschland. Im Zug befanden sich 1400 niederländische Zwangsarbeiter, von denen die meisten von den zeeländischen und südholländischen Inseln stammten und bei deutschen Razzien aufgegriffen worden waren. Am 20. Dezember 1944 hatte SS- und Polizeiführer Rauter der „Grünen Polizei“ den Befehl gegeben, Tausende Niederländer zusammenzutreiben und nach Deutschland zu transportieren. Dort sollten sie zerstörte Straßen und Eisenbahnstrecken instand setzen und von Schutt räumen. So geschah es auch auf Goeree Overflakkee, Schouwen Duiveland und in Nordholland.

Das Schicksal dieser Zwangsarbeiter auf dem Weg nach Deutschland schien besiegelt, bis englische Spitfire-Jäger den Zug beschossen. Fast 200 Zwangsarbeiter konnten sofort entkommen. Viele mischten sich unter die Kirchgänger, die sie in ihre Mitte nahmen und an sichere Orte wie Dachböden, Keller und Schuppen lotsten. Die Verwundeten erhielten Erste Hilfe in der öffentlichen Grundschule an der Stationsstraat (heute Sitz der Rabobank), die damals als Nothospital diente. Später wurden sie ins Krankenhaus nach Almelo gebracht. Etwa 1200 Zwangsarbeiter wurden von deutschen Soldaten in der Textilfabrik der Firma Scholten am Violenhoeksweg eingesperrt. Auch dort konnten die Bewohner von Wierden Dutzende Gefangene befreien.

Abends gegen sechs Uhr stand ein anderer Zug bereit, um die Zwangsarbeiter aus der Fabrik doch noch nach Deutschland zu bringen. Während der Überführung dieser Gruppe zum Zug gelang es noch einmal einigen Dutzend, mit Hilfe von Dorfbewohnern zu entkommen und einen sicheren Unterschlupf zu suchen. Das Dorf war an diesem Abend gefüllt mit geflüchteten Zwangsarbeitern, von denen manchmal fünf oder mehr bei einer einzigen Familie untergetaucht waren. An den folgenden Tagen fanden beinahe alle, also etwa 300 entkommene Zwangsarbeiter, einen sicheren Unterschlupf in den Vororten von Wierden und den umliegenden Orten – auch dank der besonders guten Zusammenarbeit zwischen den Widerstandsgruppen und der restlichen Bevölkerung. Ein besonderer Fall von Gemeinschaftsgeist, den die Menschen hier in kurzer Zeit entwickelten.

Am 17. Mai 1947, zwei Jahre nach der Befreiung der Niederlande, schenkten die ehemaligen Zwangsarbeiter dem Dorf Wierden ein Denkmal – aus Dankbarkeit und als Erinnerung an die vier Opfer. Es steht unweit des Bahnhofs, wo der „Weihnachtszug von Wierden“ beschossen wurde. Vierzig der etwa 1100 nach Deutschland transportierten Zwangsarbeiter kehrten nie wieder zurück.

Kerkhofstraat/ Dikkensweg, Wierden