Belgien / Geschichte

Houffalize ’44: „Kollateralschäden“?


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Wie ganz Luxemburg glaubte man auch in Houffalize, nördlich von Bastogne an einer strategisch wichtigen Kreuzung gelegen, im Herbst 1944 den Gefahren des Weltkrieges entkommen zu sein. Doch sollte die letzte deutsche Offensive an der Westfront im Dezember 1944 auf grausame Weise das Gegenteil beweisen.

Als die Wehrmacht am 20. Dezember mit der Vorhut der 116. Panzerdivision in den Ort zurückkehrte, verliefen die ersten Tage der neuen Besatzung relativ ruhig – abgesehen von den üblichen Beschlagnahmungen: Den deutschen Truppen gelang es, einen Vorrat an Lebensmitteln und amerikanischem Treibstoff zu erbeuten, in der Widerstandsbewegung kam es zu mehreren Festnahmen. Ein Teil der Bevölkerung floh ins Umland, während manche Anfang Januar in die Stadt zurückkehrten. Amerikanische Jagdbomber eroberten schnell die Lufthoheit und griffen die FlaK-Batterien an, die die Brücke von Houffalize sicherten. Einige Geschosse schlugen in der Stadt ein und forderten die ersten Opfer. Doch Anfang Januar 1945 wurde die Lage immer ernster, denn die deutschen Truppen hielten die Stadt weiterhin besetzt. Die Bewohner suchten in den Kellern Zuflucht, um ihr Leben zu retten. Am 3. nahm die Rue de Liège schweren Schaden. In der Nacht vom 5. auf den 6. Januar ereignete sich „die große Katastrophe“: Eine Armada von US-Bombern warf Hunderte von Tonnen Bomben auf die Stadt und zielte auf die Übergänge über den Fluss Ourthe, um die Versorgung des Feindes mit Benzin und Munition zu unterbrechen. Innerhalb einer halben Stunde war die Stadt praktisch zerstört: 350 Häuser wurden in Schutt und Asche gelegt, 118 Zivilisten wurden getötet. Das Straßenbild war kaum wiederzuerkennen. Auf der Route de La Roche pulverisierte eine Bombe die Gerberei Poncin und tötete 59 der 60 Menschen, die dort Zuflucht gesucht hatten. Für die Überlebenden war der Albtraum noch nicht vorbei. Der in den Bomben enthaltene Phosphor verursachte Wunden und Verbrennungen. Das Wasser wurde verschmutzt. Einige deutsche Soldaten desertierten, während andere ohne zu zögern Zivilisten angriffen. Die deutsche Logistik war zwar unterbrochen, aber nur für einige Stunden, bis die Organisation Todt eine Behelfsbrücke wiederherstellen konnte.

Am 16. Januar 1945 kehrten die Amerikaner in das ehemalige Houffalize zurück, wo sie so gut wie nichts und niemanden mehr vorfanden: Bei der Bombardierung wurden 189 der 1.300 Zivilisten getötet, die Überlebenden flüchteten in die umliegenden Dörfer.