Niederlande / Geschichte

Geisel in der Kirche


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Siebrand Paapst (1928-2016) wird am 27. April 1945 von den Deutschen als Geisel genommen. Zusammen mit 25 Dorfbewohnern verbringt er eine verängstigte Nacht in der Kirche von Holwierde. „Wenn in dieser Nacht auch nur ein Deutscher von der U-Bahn getötet würde, würden alle gegen die Wand fahren.“ Aber in dieser Nacht wird nur ein deutscher Soldat getötet. Seine Kameraden erschießen ihn wegen Feigheit.

Die Familie Paapst ist an diesem Abend zu Hause. Siebrand Paapst ist sechzehn. Er lebt mit seiner Mutter und seinem Vater im Haus neben dem Lebensmittelgeschäft. (…) Der Bierumerheekt durchschneidet das Dorf. Die Deutschen sprengten die Brücke und verzögerten den Vormarsch der Alliierten. Um zehn Uhr sind alle im Bett. Dann ist ein lautes Knacken zu hören. Zwei deutsche Soldaten traten die Tür ein. Siebrand und sein Vater Tidde müssen mitkommen und Decken mitbringen. Sie werden in die reformierte Kirche aufgenommen. Das Gotteshaus ist ein Ziel der Alliierten. Im Turm befindet sich ein Maschinengewehr, das regelmäßig kurze Feuerstöße abgibt. Die Dorfbewohner verstecken sich unter der Decke vor Steinschlag und Glas. Hin und wieder verklingen die Kriegsgeräusche für eine Weile. Zwei Deutsche werden auf einer Trage abtransportiert. Sie haben eine Decke darüber. Sie sind tot. Granatsplitter durchschnitten die Stahldrähte der Glockengewichte.

 Sie stürzten ab und zermalmten die Soldaten. Es wird der 28. April sein. Zwei Nachbarn nähern sich Tidde. Um ihm zu gratulieren. Denn heute ist sein Geburtstag. Ein deutscher Soldat sieht die Glückwünsche. Er sieht sehr jung aus. Er geht zu Tidde und bietet ihm zwei Zigaretten und eine Zigarre an. Der Soldat setzt sich neben Vater. Er lächelt. Augenblicke später beginnt er zu weinen. Und hört nicht auf. Dann greift er nach seiner Waffe, drückt den Lauf ans Kinn und drückt Tiddes Hand gegen den Abzug. Er muss schießen. Aber er weigert sich. Er freut sich. Am nächsten Morgen um sieben werden die Dorfbewohner entlassen.

Das kanadische Perth-Regiment startet den Angriff auf Holwierde um den 20. April herum. Das Dorf und seine Umgebung werden von den vier deutschen Geschützen der Batterie Nansum beschossen. Das Dorf wurde Ende April befreit. Nach der Schlacht zählte das Regiment acht Tote und 24 Verwundete. Holwiderde ist schwer beschädigt. Paapst: „Insgesamt wurden sechzig Deutsche getötet.“ Darunter auch der junge Deutsche, der seinem Vater die Zigaretten und die Zigarre angeboten hatte. „Er wurde von seinen Kameraden erschossen. Er konnte nicht aufhören zu weinen.'

'Nachdem sie uns freigelassen hatten, richteten sie ihn in der Kirche hin. Anscheinend wusste er, dass er diese Nacht nicht überleben würde. Später erfuhren wir, dass er in der Bibel auf der Kanzel einen Abschiedsbrief für seine Familie versteckt hatte. Diesen Brief schickte der Pfarrer dann an seine Familie in Deutschland. Er wurde von seinen Kameraden vor der Kirche beerdigt. Später wurde er mit den anderen toten Deutschen in ein Massengrab gelegt. Die Leichen wurden später exhumiert und nach Deutschland transportiert.'

Hoofdweg 29, 9905 PA Holwierde