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Hotel Erica

BombingFightingLiberationVictory and defeat

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Nach dem Bombenangriff auf Nimwegen am 22. Februar 1944 wurde das Hotel Erica in Berg en Dal zur Auffangstation für Flüchtlinge aus der Stadt. Als sieben Monate später die Operation Market Garden begann, sahen die damals siebenjährige Julia van Vliet und ihr Vater zu ihrem großen Erstaunen viele bunte Fallschirme herabsinken. Die bis dahin größte Luftlandeoperation hatte begonnen!

Hunderte Lastensegler und tausende Fallschirmjäger landeten in der Gegend um Groesbeek und Berg en Dal. Sie hatten den Auftrag erhalten, die Brücken bei Nimwegen zu erobern. Zusammen mit der Familie des Hoteliers van Vliet versteckten sich die Flüchtlinge im Keller des Hotels Erica, als der Kampf am 17. September 1944 mit aller Gewalt ausbrach.

Im Jahre 2013 erzählt Julia van Vliet von dem, was sie 1944 erlebte: „Die ängstliche Gruppe im Hotelkeller hörte, wie der Kampf draußen hin und her wogte. Maschinengewehrfeuer, Mörser und Granaten vermischten sich zu einem höllischen Lärm. Mit einem Mal flog die Tür auf und acht schwer bewaffnete Soldaten in merkwürdigen grünen Uniformen stürmten herein. Die Gruppe erkannte die Soldaten nicht als Deutsche, aber wer waren sie dann? Die Soldaten sprachen kein Wort, sondern sahen sich im Halbdunkel prüfend um: auf der Suche nach Deutschen. Als sie diese nicht antrafen, verschwanden sie so plötzlich, wie sie gekommen waren. Ängstlich fragten sich die Zivilisten, ob sie nun befreit waren oder nicht …“

„Eine Weile später flog die Tür erneut auf. Ein Lauf erschien um die Ecke, gefolgt von grauen Gestalten. Diese Uniformen kannte die Gruppe sehr gut. Es waren deutsche Soldaten, die schweigend und angespannt auf der Suche waren nach … Amerikanern. Das Ganze erinnerte allmählich an ein Versteckspiel. Als die Tür zum dritten Mal aufgestoßen wurde und erneut Soldaten hineinstürmten, waren es dieselben amerikanischen Soldaten, die ein paar Stunden vorher schon einmal da gewesen waren. Aber jetzt waren sie nur noch zu fünft ...“

Obwohl das fast 80 Jahre her ist, haben sich die Ereignisse Frau van Vliet ins Gedächtnis eingebrannt. Ihre Version stimmt zwar nicht zu hundert Prozent mit der historischen Berichterstattung überein, aber das schmälert ihre beeindruckende Erinnerung nicht.

Hörstelle dank Versprechen an Oma

Sein Großvater war im Widerstand, wurde verraten, verhaftet, überlebte verschiedene Lager, wurde entlassen und verstarb auf dem Heimweg. Marcel Hoogenboom hat seiner Oma versprochen, die Geschichten aus dem Zweiten Weltkrieg am Leben zu erhalten. Deshalb gibt es im Hotel Erica in Berg en Dal einen Informationsstein, der vom Zweiten Weltkrieg erzählt.  

Marcel Hoogenboom war Manager des Hotel Erica, einem der vier Fletcher-Hotels in der Region Nimwegen. Hoogenboom wuchs in Zeeland auf, spielte als Kind zwischen den deutschen Überbleibseln der Besatzungszeit in den Dünen. Seine Großeltern mütterlicherseits verbrachten den Krieg in Delft: „Sie hörten das Dröhnen der SS-Stiefel auf dem Kopfsteinpflaster. Mein Opa war Pferdemetzger. Das ist einer der Gründe, warum sie die Hungersnot im Winter 1944/45 überstanden. Als Kind hat sich meine Mutter am Feuer der brennenden Pferdehufen gewärmt.“

Sein Großvater väterlicherseits, Leendert Hoogenboom, war Teil der Widerstandsgruppe Van Beest in Middelburg. Im August 1942 wurde er von einem NSB-Nachbarn verraten, verhaftet und über das Gefängnis in Scheveningen, das Oranjehotel und das Lager Amersfoort nach Deutschland gebracht. „Meine Oma hat ihn zuletzt in Scheveningen gesehen. Gesehen, weil sie nicht mit ihm reden durfte.“

Seine Oma hat ihren Mann lebend nie wieder sehen. Anfang April 1945 wurde Leen Hoogenboom freigelassen. Auf dem Heimweg verstarb er am 21. April in einem Krankenhaus in Speyer, Deutschland. Seine sterblichen Überreste wurden wenige Wochen vor der Befreiung in einem Bleisarg zurückgebracht und 1950 in Middelburg umgebettet.

 „Meine Großmutter wollte lange nicht ausführlich über den Krieg und die Rolle meines Großvaters im Widerstand sprechen. Ich glaube nicht, dass er dort eine große Rolle spielte, sonst wäre er gleich erschossen worden. Am Ende ihres Lebens begann sie nach und nach mit mir über diese Zeit zu sprechen – ihrem jüngsten Enkel der Hoogenbooms. Wahrscheinlich, weil ich immer wieder nachgefragt habe.“

„Dann bat sie mich, als jungen Erwachsenen und Kind einer neuen Generation, die Geschichten des Krieges weiterzuerzählen. Nicht nur die meines Großvaters, sondern die Geschichten aller, die diese Zeit miterlebt haben. Ich sollte nicht nur die traurigen Geschichten erzählen, sondern auch die schönen. Ich habe ihr versprochen, dass ich mein Bestes geben werde. Sie starb zwei Jahre später, an Silvester 2010.“

Nach dem Abitur begann Marcel Hoogenboom in der Gastronomie zu arbeiten. Von 2007 bis 2023 leitete er das Hotel Erica. „Das hat auch im Zweiten Weltkrieg eine Rolle gespielt. Das ist natürlich kein Zufall." 

Aufgrund seiner Initiative wurde am 8. Juni 2013 unter der Linde vor dem Hotel ein Informationssein der Liberation Route enthüllt, der die Geschichte des Hotels Erica im September 1944 erzählt. „Damals habe ich vor vollem Hause zum ersten Mal von dem Versprechen an meine Oma erzählt. Mein stolzer Vater war in der ersten Reihe sichtlich gerührt.“ 

Molenbosweg 17, 6571 BA Berg en Dal